US-Amerikaner jüdischer Herkunft besucht erstmals seine Geburtsstadt Shanghai
Das Heimweh ist nicht immer die Sehnsucht nach einem konkreten Ort, manchmal ist es auch eine Erinnerung - eine Geschichte, die man niemals vergisst.
Und der 76-jährige Henry Winter, bekam kürzlich dieses flüchtige Heimweh.
Henry Winter macht Fotos für das alte Gebäude. [Foto: Volksregierung des Bezirks Hongkou]
Der US-Amerikaner Henry Winter, Nachkomme von jüdischen Flüchtlingen, besuchte in der vergangenen Woche das Museum für jüdische Flüchtlinge in Shanghai. Beim Gespräch über seine Verbindung zu dieser ostchinesischen Metropole wurde der 76-Jährige sichtlich bewegt.
Winter wurde im März 1949 im St. Elizabeth Krankenhaus in Shanghai geboren und verließ China ein halbes Jahr später mit seiner Familie. Die diesmalige Reise markiert seine erste Rückkehr in seinen Geburtsort seit der Abreise im letzten Jahrhundert.
„Der Besuch dieses Museums berührt mich sehr. Das Haus, in dem meine Familie damals wohnte, liegt gleich in der Nähe. Es ist bewegend, diese alte Adresse wiederzusehen“, so Winter.
Die Familie wohnte einst in der Lane 54 auf der Zhoushan-Straße in Shanghai. Obwohl Winter nur ein halbes Jahr in Shanghai lebte, erinnert er sich noch gut an die Adresse, von der ihm seine Eltern oft erzählt hatten. In Begleitung der Mitarbeiter des Museums betrat er das Viertel, das einst als „Klein-Wien“ bezeichnet worden war. In der engen Gasse angekommen, betrachtete er sorgfältig jedes Detail des Gebäudes und zögerte, es wieder zu verlassen.
Am 5. und 9. September besuchten Winter und seine Freunde zweimal das Museum. Wie er berichtete, waren sein Vater Oskar Winter und seine Mutter Hanna Fabisch beide jüdische Flüchtlinge in Shanghai. Sein Vater wurde in Wien geboren, seine Mutter in Deutschland. Ende 1939 flohen beide mit ihren Familien vor der Verfolgung der Nationalsozialisten nach Shanghai, wo der Österreicher und die Deutsche sich kennenlernten und ineinander verliebten.
Am 4. Februar 1945 heirateten Henrys Eltern und lebten seitdem in ihrem alten Wohnhaus. Da sein Vater Chinesisch, Englisch und Deutsch sprach, arbeitete er zunächst als Dolmetscher und später als Hotelmanager im Metropolo Hotel, während seine Mutter von einem Kindergarten in Shanghai angestellt wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verließ die Familie das asiatische Land im September 1949. Sie reiste per Schiff nach San Francisco und dann mit dem Zug weiter nach Montreal, Kanada. Nach zwei Jahren in Kanada zog die Familie 1951 mit Hilfe von Henrys Onkel nach Cleveland, Ohio.
Obwohl die beiden Senioren verstorben sind, weckten in ihrem Sohn ihre Erzählungen über das Leben in Shanghai stets den Wunsch, in seine Geburtsstadt zurückzukehren.
An der Gedenkwand des Museums findet Henry Winter die Namen seiner Eltern und Großeltern unter Tausenden von Flüchtlingsnamen. [Foto: Volksregierung des Bezirks Hongkou]
An der Gedenkwand des Museums fand Henry Winter die Namen seiner Eltern und Großeltern unter Tausenden von Flüchtlingsnamen. „Ich bin dankbar, dass Shanghai uns nicht vergessen hat“, sagte er. Winter lebt heute in Michigan und hofft, die Geschichte seiner Familie mit anderen teilen zu können, damit dieses Kapitel der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.
Quelle: Volksregierung des Bezirks Hongkou