„China als zweite Heimat“: Deutsche Studierende bauen Brücken des Kulturaustauschs
Foto: VCG
„Schon in der Oberschulzeit stand für mich fest: Ich werde Sinologie an der Universität Hamburg studieren“, erklärte Ran Shiyi, eine deutsche Studentin mit chinesischem Namen. „Mein absolutes Ziel ist ein beruflicher Weg mit China-Bezug. Ich möchte unbedingt dort studieren und leben.“
Die heute an der Universität Hamburg immatrikulierte Studentin begann ihre China-Reise bereits während der Schulzeit – gekrönt durch ihren Sieg beim deutschen Landesfinale des „Chinese Bridge“-Wettbewerbs für Schüler im Jahr 2023.
Ihr Sinologiestudium ermöglicht ihr nicht nur die vertiefte Lektüre klassischer chinesischer Literatur, sondern auch mehrere Aufenthalte in China. Durch das Durchstreifen von Gassen und Gespräche vor Ort lerne sie das echte, vielfältige China kennen, so die deutsche Studierende.
2024 absolvierte sie ein Praktikum beim Internationalen Kanal des Yunnan Media Group in Kunming in der südchinesischen Provinz Yunnan. „Mir gefällt es sehr, Reisnudeln zu essen und mich mit den herzlichen Yunnanern über die Geschichten dieser Region auszutauschen“, schwärmte sie.
Während ihres Aufenthalts wirkte sie an einer Dokumentation über chinesische Aromakunst mit. „Kollegen aus ethnischen Minderheiten teilten mit mir unzählige Geschichten über die kulturelle Vielfalt Chinas“, so Ran. „Durch diese Begegnungen verstand ich erst wirklich, warum die Provinz Yunnan so einzigartige ethnische Besonderheiten aufweist. Mein Verständnis für den kulturellen Reichtum Chinas hat sich dadurch neu geformt.“
Ihre Erfahrungen spiegeln eindrucksvoll die vor über 300 Jahren vom deutschen Aufklärer Gottfried Wilhelm Leibniz formulierte Vision eines wechselseitigen Lernens zwischen Ost und West wider. Leibniz sah in der chinesischen und europäischen Philosophie komplementäre Systeme, die durch Austausch die menschliche Weisheit bereichern sollten. Das nach ihm benannte Leibniz-Konfuzius-Institut Hannover – in jener Stadt, in der er lange wirkte – setzt heute dieses Ideal des interkulturellen Dialogs fort.
„Die Kernbotschaft von Leibniz war für mich die Offenheit gegenüber fremden Kulturen“, erläuterte Ran. „Vor Jahrhunderten schon plädierte er für kulturellen Austausch. Heute möchte ich durch mein Studium einen Beitrag zum Dialog zwischen Europa und China leisten.“
Cai Lin, die chinesische Direktorin des Leibniz-Konfuzius-Instituts, betonte die Bedeutung solcher Initiativen: „In den letzten Jahren haben wir den Jugendaustausch zwischen China und Deutschland systematisch vertieft. Rund um Sprachvermittlung, Kulturerleben und Bildungsinnovation bieten wir Sommercamps, digitale Tandems, Sprachwettbewerbe und Studienberatung an.“ Dank dieser Programme, so Cai Lin, hätten viele deutsche Jugendliche ihren internationalen Horizont erweitert. „Sie bringen frischen Wind in den deutsch-chinesischen Kulturaustausch.“
Die deutsche Schülerin Stella Stottmeister (deutsche Übersetzung aus dem chinesischen Originaltext), die 2024 erstmals China bereiste, schwärmte noch heute von ihren damaligen Eindrücken: Vom Yu-Garten und dem Bund in Shanghai, über die blühenden Landschaften am Westsee in Hangzhou bis hin zu den herzlichen Begegnungen mit chinesischen Künstlern – alles habe sie tief berührt.
„Ich hoffe, dass China eines Tages meine zweite Heimat wird“, sagte Stottmeister, die mittlerweile von der Tongji-Universität (Tongji University) in Shanghai für ein Bachelorstudium zugelassen wurde. „Am meisten freue ich mich darauf, den Alltag der Menschen wirklich kennenzulernen, durch das Land zu reisen und ihre Geschichten zu hören.“
Cai Lin betonte den transformativen Effekt dieser Austauscherfahrungen: „Durch den Kontakt mit chinesischen Gleichaltrigen in unseren Programmen reflektieren die deutschen Jugendlichen nicht nur über Sprache und Kultur, sondern beginnen auch, die Welt – und sich selbst – aus neuen Perspektiven zu betrachten.“
„Es ist ermutigend“, fügte die Institutsleiterin hinzu, „dass immer mehr deutsche Teilnehmer anschließend bekunden, sie wollten Brückenbauer zwischen den beiden Ländern werden. Sie möchten durch ihre persönlichen Erlebnisse von einem authentischen, offenen, vielfältigen China erzählen – und gleichzeitig ein Bild von einem reflektierten, toleranten und schöpferischen Europa vermitteln.“
„Ihre Erfahrungen“, resümierte Cai Lin, „sind die lebendige Antwort auf den Aufruf von Leibniz und zugleich ein kraftvolles Zeugnis dafür, wie Dialog die menschliche Zivilisation voranbringt.“
Quelle: Shanghai Observer