Michael Kohlhaas von der Schaubühne in Shanghai uraufgeführt

german.shanghai.gov.cn| 2025-11-02

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Ein Bühnenfoto von „Michael Kohlhaas“. [Foto: Shanghai Observer]

Am Freitag feierte die deutsche Schaubühne Berlin die Asien-Premiere von ihrem Werk „Michael Kohlhaas“ im YOUNG Theater in Shanghai. Das vor über 200 Jahren von Heinrich von Kleist verfasste Werk zählt zwar zum deutschen Schulkanon, bereitet jedoch selbst Muttersprachlern aufgrund seiner „schier endlos langen Sätze“ große Verständnisschwierigkeiten.

Die Handlung basiert auf wahren Begebenheiten aus dem 16. Jahrhundert: Der Pferdehändler Kohlhaas erleidet schweres Unrecht – er wird mit nicht-existierenden Durchgangsgebühren konfrontiert, seine Pferde werden zugrunde geritten, seine Beschwerden ignoriert, und seine Frau kommt bei der Überbringung eines Hilfegesuchs ums Leben.

Schließlich greift er zu gewaltsamen Mitteln, um Gerechtigkeit zu erlangen. Während die tiefgründige Auseinandersetzung mit dem „Ringen um Gerechtigkeit“ das Werk zum Klassiker der Schullektüre macht, wird der hohe sprachliche Anspruch oft unterschätzt.

Die Schauspieler räumten ein, dass sie bei der ersten Lektüre des Textes „wie Schülerinnen“ verzweifelten und beim Lesen „schon den Satzanfang vergaßen“. Daher zerlegten sie die langen Sätze in kleinere Einheiten und trugen sie im Wechsel wie ein „Geflecht aus Fragmenten“ vor.

Nach wiederholtem Lesen entdeckten die Darsteller jedoch die poetische Qualität und den Rhythmus des Textes. Die Hälfte der Dialoge ist von „Kleist'scher Ironie“ geprägt, die beim beliebigen Aufschlagen des Textes ein Lächeln entlocken kann. Aus anfänglicher Verzweiflung wurde so Bewunderung, und sie erkannten allmählich das beharrliche Ringen um Gerechtigkeit, das der Erzählung zugrunde liegt.

Auch die Inszenierung wartete mit kreativen Lösungen auf. Regisseur Simon McBurany gliederte die Handlung in sechs Abschnitte, in denen die Schauspieler den Originaltext im schnellen Wechsel vortrugen und blitzschnell die Rollen wechselten.

Zwei Glaswände auf der Bühne dienten als zentrale Elemente: Die Darstellerinnen bedienten Kameras, projizierten Dias, nutzten Smartphones und interagierten mit den Multimedia-Projektionen – und meisterten parallel dazu den anspruchsvollen Text. Nach den Aufführungen stellten sie fest: „Die langen Sätze bereiten uns keine Kopfschmerzen mehr.“

 

Quelle: Shanghai Observer