Traditionelle Chinesische Medizin gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung

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Sven Schröder (stehend), Leiter des HanseMerkur Zentrums für Traditionelle Chinesische Medizin am Universitätsklinikum Hamburg - Eppendorf, Deutschland, weist einen Studenten in die Behandlung ein. [Foto: Shanghai Observer]

Deutschland zählt nicht nur zu den führenden Nationen in moderner Biomedizin, sondern nimmt auch eine Vorreiterrolle in der Praxis und Erforschung traditioneller und komplementärer Medizin in Europa ein. Studien belegen, dass hierzulande europaweit der Anteil der Bevölkerung, die Methoden der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) nutzt, der höchste ist. Wie sich zeigt, entscheiden sich immer mehr Deutsche für diese Behandlungsform. Mediziner bestätigen, dass die TCM heute ein integraler Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens ist. Parallel dazu werden sogar lokale Anbauprojekte für traditionelle chinesische Heilpflanzen erprobt. Die TCM-Kultur findet so ihren Weg über die Grenzen hinaus und bietet einer wachsenden Anzahl europäischer Patienten gesundheitliche Unterstützung.

Kötzing: Europas einziges stationäres TCM-Krankenhaus

Im beschaulichen Städtchen Bad Kötzting in Bayern steht ein Gebäude mit besonderer Symbolkraft: Vor dem Eingang wachen zwei steinerne chinesische Löwen über die „TCM Klinik Bad Kötzing“, Deutschlands erste und bis heute Europas einzige TCM-Klinik mit stationärer Versorgung, deren Kosten zu über 90 Prozent von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Seit ihrer Gründung 1991 behandelt sie Patienten aus ganz Europa.

„Verdauungsprobleme quälten mich anderthalb Jahre ohne Besserung. Nachdem ich online von der TCM las, bin ich extra angereist“, sagte ein 40-jähriger Patient aus Norddeutschland. Dreimal wöchentlich Akupunktur und individuell abgestimmte Kräuterdekokte führten zur deutlichen Linderung. „Ich habe bereits Kräuter für zu Hause bestellt“, sagte er.

Solche Erfolgsgeschichte ist kein Einzelfall. Yang Likun, Klinikleiterin der chinesischen Seite, behandelte einen Patienten in der Reha nach schwerer Kopfverletzung. Durch die Kombination von Kräuterheilkunde, Akupunktur und Tuina-Massage erlangte dieser Schritt für Schritt seine Selbständigkeit zurück. Über 30 Jahre hinweg haben Generationen von Therapeuten der Pekinger Universität für Chinesische Medizin (Beijing University of Chinese Medicine) hier Vertrauen aufgebaut.

Die Nachfrage ist enorm. „Wir erhalten jährlich rund 2000 stationäre Aufnahmeanträge, vorwiegend aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien. Aufnahmekapazität haben wir aber nur für die Hälfte. Die Warteliste reicht aktuell bis Jahresende“, erklärt der deutsche Klinikleiter Stefan Hager, selbst Pharmazeut. Der Anblick der TCM-Erfolge bei chronischen Leiden ließ ihn vor drei Jahrzehnten zum begeisterten TCM-Praktiker werden.

Hamburg: Wissenschaftliche Integration und Patientenandrang

Im HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin am Universitätsklinikum Hamburg - Eppendorf lag ein 82-jähriger Patient auf dem Krankenbett, um Akupunkturbehandlung zu bekommen. Sven Schröder, Leiter des Zentrums für TCM, setzte gezielt Nadeln zur Behandlung peripherer Neuropathien in den Füßen des Patienten. „Vor 15 Jahren rettete mich die Akupunktur vor einer Knie-OP. Seither komme ich sogar mit dem Rad zur Behandlung“, erklärt der Patient.

Das 2010 im Rahmen der Städtepartnerschaft Hamburg-Shanghai gegründete Zentrum, bestehend aus Ambulanz und Forschungslabor, hat bereits über 30.000 Patienten mit Diagnose- und Behandlungsleistungen versorgt. Sechs Ärzte und zwei Tuina-Therapeuten arbeiten hier eng mit der Shanghaier Universität für TCM zusammen – in Forschung, Lehre und gemeinsamem Masterstudiengang für westliche Ärzte, dem ersten seiner Art in Europa.

Schröders Bücherregal ist voll mit Fachliteratur zur TCM. „Nach einer eigenen, erfolgreichen Akupunkturbehandlung in meinem ersten Studienjahr begann meine Faszination. Ich habe meine Fachkenntnisse bei mehreren Besuchen bei renommierten Lehrern in Shanghai und Hangzhou vertieft“, berichtete er. Sein Fazit: „Die TCM wirkt sanfter, besonders bei chronischen Erkrankungen. Patienten reisen aus ganz Deutschland an. Das zeigt, dass die TCM große Anziehungskraft besitzt und die Schulmedizin ideal ergänzt.“

Über die klinische Arbeit hinaus engagiert sich Schröder als deutscher Vertreter bei der ISO-Normung für TCM und berät als Gründer einer Zertifizierungsagentur chinesische Pharmaunternehmen beim Markteintritt in Europa. „Die TCM hat hier riesiges Potenzial. Chinesische Firmen sollten den europäischen Markt aktiv erschließen, damit mehr Menschen von dieser Medizin profitieren können“, betonte Schröder.

Schwabach: Brückenbau zwischen Kultur und Qualitätssicherung

Die Park-Apotheke in Schwabach, Gründungsmitglied des Deutschen TCM-Verbands, importiert seit 1987 chinesische Arzneimittel und war einst eine der fünf größten TCM-Apotheken in Deutschland. Hier arbeitet eine Apothekerin, die sich seit mehr als drei Jahrzehnten für TCM engagiert. Präzise befolgt sie die Prozesse – vom Verarbeiten der Rohdrogen über das Abkochen bis zur Herstellung von Kräuterbonbons für Kinder. Strenge Qualitätskontrollen sind selbstverständlich.

Bei der Interpretation chinesischer Rezepturen bittet die Apothekerin HerbaSinica, ein nahegelegenes TCM-Unternehmen, um seine Hilfe. 1996 wurde HerbaSinica von dem Apotheker Eberhard Hilsdorf und dem Botaniker Dr. Zhong Wenjun mit dem Ziel gegründet, hochwertige chinesische Heilkräuter aus China zu importieren und der immer größeren Nachfrage nach qualifizierter TCM-Rezeptur in Deutschland zu entsprechen. „Die TCM trägt die chinesische Kultur in sich. Ihr Erfolg im Ausland ist auch ein Zeichen wachsender Stärke Chinas“, betont Zhong Wenjun.

HerbaSinica gewährleistet durch sein Qualitätsmanagementsystem eine lückenlose Überwachung „vom chinesischen Feld bis zur europäischen Apotheke“. Die Produkte entsprechen sowohl dem chinesischen Arzneibuch als auch EU-Standards. Im Lager lagern rund 20 Tonnen von über 250 Kräutersorten, täglich werden 20-30 Kilo an Apotheken in ganz Deutschland sowie nach Spanien, Griechenland, Österreich und Schweden versandt. Französische Kunden nutzen die Substanzen zunehmend auch in der Kosmetikforschung.

Die wachsende Präsenz der TCM in Deutschland zeigt eine bemerkenswerte Entwicklung. Sie ist kein Nischenphänomen mehr, sondern ein integraler, anerkannter Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens. Diese erfolgreiche Integration, getragen von Expertise, Nachfrage und struktureller Verankerung, legt den Grundstein für eine noch breitere Akzeptanz und Weiterentwicklung der Traditionellen Chinesischen Medizin in Europa.

 

Quelle: People’s Daily, kompiliert mit wichtigen Änderungen