Shanghaier Musikkonservatorium schreibt deutsch-chinesische Musikgeschichte in Deutschland
Liao Changyong, der weltbekannte Bariton und Rektor des Shanghaier Musikkonservatoriums, interpretiert am 10. Juni 2025 traditionelle Kunstlieder im Gewandhaus zu Leipzig. [Foto: Shanghaier Musikkonservatorium]
Als die letzten Akkorde unter dem Dach des Gewandhauses zu Leipzig verklangen, umfing eine andächtige Stille den historischen Saal.
Zwischen den Renaissance-Säulen dieser 240-jährigen Institution – einer der heiligen drei der deutsch-österreichischen Musiktempel neben dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins und Berliner Philharmoniker – vollzog sich am Abend des 10. Juni mehr als ein Konzert: Es war die Verkörperung eines kulturellen Dialogs, der Kontinente überbrückte.
Liao Changyong, der weltbekannte Bariton und Rektor des Shanghaier Musikkonservatoriums, schuf gemeinsam mit dem deutschen Pianisten Hartmut Höll ein Klangerlebnis, das die Seelenströme europäischer und chinesischer Kunstliedtraditionen in schwebender Harmonie vereinte. Die minutenlangen stehende Ovation des internationalen Publikums rundeten ein Jahr der Vorbereitung ab, die diesen Auftritt zum Highlight der laufenden Gewandhaus-Spielzeit erhob.
Künstlerische Brücken über kulturelle Grenzen
In der Dämmerstunde verwandelte sich der ikonische Konzertsaal in einen Resonanzraum zweier Zivilisationen. Das Programm, ein kunstvoll gewobener Teppich aus Klangfarben, führte von der introvertierten Tiefe Mahlerscher Lieder bis zur poetischen Weite chinesischer klassischer Werke wie „Ich lebe am Oberlauf des Flusses“ (chinesisch: 我住长江头).
Jede Phrase, jede Nuance schien die unsichtbaren Fäden zwischen Leipzigs musikalischem Erbe – geprägt von Bachs Kantorenzeit und Mendelssohns Wirken – und der fünftausendjährigen Klangpoesie Chinas zu spannen. „In dieser Stadt, wo Bach lebte und schrieb, zu singen, ist nicht nur eine künstlerische Aufgabe, sondern eine großartige Ehe“, sagte Liao Changyong. Seine Mission lag darin, den internationalen Hörern durch die Form des Kunstliedes die emotionale Tiefenschicht chinesischer Kultur zugänglich zu machen – jenseits von Klischees, hin zum Kern menschlicher Universalität.
Diese Vision manifestierte sich im Saal: Als die letzten Töne verhallten, vermischten sich im Parkett ergriffenes Keuchen mit begeisterten Rufen des Publikums. Professor Peter Hell von der Hochschule für Musik und Theater Leipzig (HMT) fasste diesen magischen Moment prägnant zusammen: „Hier sah man ein Lehrstück musikalischer Diplomatie für die kulturelle Wechselseitigkeit.“
Institutionelle Partnerschaft: Wenn Mendelssohns Erbe auf Shanghaier Geist trifft
Einige Musikstudenten spielen zusammen Instrumente. [Foto: Shanghai Observer]
Im Rahmen des Besuchs schrieb die Delegation des Shanghaier Musikkonservatoriums mit der im Jahr 1843 von Felix Mendelssohn Bartholdy persönlich gegründeten HMT Leipzig ein weiteres Kapitel: Vor der bronzenen Büste des romantischen Meisters unterzeichneten Rektor Gerald Fauth und sein Shanghaier Amtskollege Liao Changyong ein wegweisendes Akademisches Austauschabkommen. Das Dokument, das neben regelmäßigen Gastdozenturen insbesondere ein Streicherkammermusik-Austauschprogramm für begabte Studierende vorsieht, trägt die Handschrift beider Traditionen.
Die Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien werde die tiefe Integration der chinesisch-deutschen Musikpädagogik fördern, kommentierte Fauth mit sichtlicher Freude. Liao verwies auf die ideelle Synergie: „Mendelssohns Schaffensethos an der HMT Leipzig und unser Motto ‚Harmonie, Beharrlichkeit, Ernsthaftigkeit, Aufrichtigkeit‘ – beides sind Kompasse zur selben künstlerischen Wahrheit.“
Nachhaltige Resonanzen: Vom Konzertsaal in die Zukunft
Die Deutschlandreise, Kernstück des Programms des Shanghaier Musikkonservatoriums „Überseeische Präsentation chinesischer traditioneller Kunstlieder“, entfaltete ihre Wirkung über Leipzig hinaus.
Für das Shanghaier Musikkonservatorium markiert die Initiative einen strategischen Schritt: Einerseits treibt sie die Internationalisierung chinesischer Musikpädagogik voran, andererseits öffnet sie deutschen Kulturschaffenden einen authentischen Zugang zu chinesischen Traditionen – jenseits folkloristischer Klischees.
Quelle: Shanghaier Musikkonservatorium, kompiliert mit wichtigen Änderungen