KI-Kunstausstellung in Shanghai: Wenn Algorithmen die Kreativität fördern
Ein Plakat für die Ausstellung, 26. Juli 2025. [Foto: The Paper]
Das Minsheng-Kunstmuseum Shanghai präsentiert bis zum 30. November 2025 die internationale Kunstausstellung der KI zum Thema „Promptoscape“ („prompt“ und „scape“ stehen für Eingabeaufforderung bzw. Landschaft). Mit über 30 Exponaten von mehr als 20 Künstlern aus zehn Ländern und Regionen wirft die Ausstellung grundlegende Fragen zur Zukunft künstlerischer Kreativität auf. Zu den ausgestellten Werken zählen ein sich aufraffender, angeketteter Roboterhund, ein komplett durch KI generiertes Symphonieorchester sowie eine Vielzahl von echten Retro-Fotografien des algorithmischen Ursprungs und mechanische Imitatoren menschlicher Bewegungen.
Die Ausstellung geht über die reine Präsentation von KI-generierten Inhalten (AIGC) hinaus. Ihr zentrales Anliegen ist die Untersuchung, wie KI kreative Prozesse initiiert, Bedeutungsebenen konstruiert und Formensprachen entwickelt. Die gezeigten Arbeiten demonstrieren eindrücklich, dass Algorithmen längst nicht mehr als bloße Werkzeuge in den Schaffensprozess eingebettet werden, sondern vielmehr zum kritisch hinterfragten Subjekt künstlerischer Narrationen avanciert sind. Damit stellt die Ausstellung konventionelle Definitionen von Kreativität, Kunstbegriff und Kunstgeschichtsschreibung radikal infrage.
Ein Werk vom deutschen KI-Bildexperten „Falsche Erinnerung“ (dieser Name wird vom Chinesischen ins Deutsche übersetzt und gilt nur als Referenz). [Foto: The Paper]
Ein besonders brisantes Exponat stammt vom deutschen KI-Bildexperten Boris Eldagsen. Seine mit KI co-kreierte Fotoserie evoziert „nie stattgefundene Erinnerungen“. Eines dieser Werke hatte 2023 den Sony World Photography Award gewonnen, doch wegen seines algorithmischen Ursprungs verweigerte Eldagsen die Annahme des Preises, was international kontroverse Debatten auslöste.
Die Ausstellung thematisiert ein zentrales KI-Dilemma: Während Systeme aus Big Data standardisierte Antworten destillieren, überdecken sie zugleich Grenzbereiche, Dissens und ungelöste Fragestellungen. Die Tendenz zur Erzeugung einer „vereinfachten Scheinrealität“ wird durch die künstlerischen Positionen gezielt dekonstruiert. Die Widerständigkeit der Kunst manifestiert sich gerade in der Auseinandersetzung solcher Brüche.
Das Spektrum der gezeigten Werke umfasst eine Reihe von thematischen Schwerpunkten, darunter Echtzeit-Interaktionen, Performancekunst, maschinengesteuerte Aufführungen, verkörperte KI, Zukunfts-Fotografien, KI-Sinfonien usw.
Durch diese multimediale Anlage eröffnet die Ausstellung Diskurse zu mehreren Schnittstellenthemen: den kulturellen Kontexten KI-generierter Kunst, den ästhetischen Konsequenzen dezentralisierter Lernsysteme, den Mechanismen der Mensch-Maschine-Empathie, den sinnlichen Strukturen künstlichen Lebens, den Subkulturphänomenen algorithmischer Verzerrungen sowie den existenziellen Spannungsfeldern zwischen menschlicher und maschineller Intelligenz.
Diese transdisziplinäre Anlage positioniert die Ausstellung als experimentelles Feld generativer Kulturproduktion. Sie schafft einen Raum für Mensch-Maschine-Kooperationen, kollaborative Spielformen und zukunftsorientierte öffentliche Experimente – und etabliert Shanghai damit einmal mehr als wichtigen Knotenpunkt der KI-Entwicklung.
Quelle: Shanghai Observer